Dienstag, 29. April 2014

1. Arbeitstag

Ist es mir zu Beginn noch schwer gefallen, nach längerer Zeit wieder in das Foyer zurückzukommen, merke ich mittlerweile, dass ich sofort eingespannt werde. Schon als ich meinen schweren Koffer den langen Berg zu unserem Haus hochziehen musste, weil mich niemand abholen konnte, wurde mir bewusst, dass ich wieder in der harten Realität gelandet bin. (Nein, kleiner Scherz. So schlimm war es nicht.). Brigitte hat mich breit-grinsend umarmt und Marie-Claire hat sich erkundigt, ob ich mich denn gut erholt hätte. Stephane hat mich so begrüßt wie immer, wenn wir uns auf dem Flur begegnen und unser letztes Zusammentreffen erst 20 Minuten her ist. Aber er war auch nicht gerade in bester Form. 

Heute Morgen beim Frühstückstisch, hat mich Giulia gleich auf den neuesten Stand gebracht. David ist krankgeschrieben und kommt (wenn er denn überhaupt wiederkommt) in ein Foyer in Ambleteuse. Dafür bekommen wir einen neuen Assistenten, Antoine. Danach hatten wir ein Treffen in Ambleteuse, wo besprochen wurde, wie es weiterläuft, wenn die Hälfte der Community übermorgen auf das Wochenende nach Paray-le-Monial fährt.

Hier meine Lieblingssituationen des Tages:

  • Patricia steht während dem Kaffeetrinken neben dem Tisch. Ich frage sie, ob sie sich setzen möchte und etwas trinken möchte. (Um sie ein wenig einzubinden) Sie fragt:"Gibt es Kuchen?" Ich:"Nein wieso? Unter der Woche essen wir nie Kuchen zum Kaffee." Sie:"Ah, achso. Gut, dann ... kann ich ja auf mein Zimmer gehen."
  • Nachmittags im Atelier. Lucile und ich führen 10 Minuten lang die gleiche Unterhaltung. Lucile:"Kommst du heute mit auf die Farm?" Ich:"Nein, vielleicht wieder nächste Woche." Schweigen, sie bewegt in Zeitlupe (sie macht alles in Zeitlupe) den Kopf nach unten, schaut ihre Füße an, hebt wieder ihren Kopf, schaut mich interessiert an. "Kommt du heute auch mit auf die Farm?" "Eh, nein, Lucile" Pause, Lucile dreht ihren Kopf zum Fenster, dreht ihn zurück, lacht mich an "Wir gehen heute Tiere gucken. Kommst du mit?" "Nein. Gehst du denn heute auf die Farm?" "Ich mag Tiere gerne." "Ah,bon. Ich auch." Sie schaut zu mir hoch (sie ist auch noch winzig), streckt im Zeitraffer ihren Arm nach mir aus und piekst mich in die Seite. Sie ist wirklich ein beruhigender Mensch.
  • Abends beim Tee-trinken. Stephanie sagt Brigitte, dass sie blaue Augen hat. Marie-Claire wird aufmerksam, zieht ihre Brille ab, dreht sich zu Giulia und sagt:"Guck, guck! Welche Augenfarbe habe ich?" Und dabei reißt sie ihre Augen auf, obwohl Giulia keinen halben Meter entfernt von ihr sitzt. "Du hast braune Augen, Marie-Claire" "Was? ECHT?" "Ja, genauso wie ich. Braun." "Ah? Bist du sicher?!" "Ja." Sie steht auf und schaut in den Spiegel. "Ah, ja, stimmt!" 

Montag, 14. April 2014

Dienstag, 8. April 2014

Schon wieder eine Woche seit dem letzten Eintrag vergangen. Das geht im Moment ja wieder mal so schnell. Was habe ich so gemacht? Ich war mit Giulia im Kino (obwohl ich das glaube schonmal erwähnt habe), wir haben einen 50. Geburtstag gefeiert und konnten zum Apéro sogar im Garten sitzen und uns sonnen. Ich habe mit Brigitte die Bilder fertig gemalt. War mit zwei Bewohnern aus einem anderen Foyer im Zirkus gewesen und bin an diesem Tag 3x die Route Ambleteuse hin und zurück gefahren. Immerhin fährt man am Meer entlang und durch die Dünen. Gestern war ich mit einer Freiwilligen, die in Brüssel in der Arche arbeitet, in Paris. Auf so einen spontanen Tagestrip wäre ich früher nicht gekommen. Es ist anstrengend, aber dafür habe ich meinen freien Tag voll ausgeschöpft. Fotos gibt es das nächste Mal :)

Im Moment sind wir wieder einmal unterbesetzt, da Valerie und David zur gleichen Zeit auf einem Seminar sind. Giulia war gestern alleine und ich heute. Gilles war allerdings abends da und so hat er mit Brigitte gekocht. Es gab Gemüse-Cake, wo irgendwie alles reinkam, was wir gefunden haben (Lauch, Oliven, Ricotta, Tomaten...). Es war witzig den hochgewachsenen, etwas schlaksigen Gilles neben der kleinen, rundlichen Brigitte herumwerkeln zu sehen. Ich saß im Büro und habe mich mit den Mails und unserem unübersichtlichen Wochenplaner befasst. Gilles Frau hat angerufen und fing sofort an, auf mich einzureden. "Donnerstag kommt eine Freundin, die wartet dann nachmittags bei euch im Foyer, ist das okay? ja und achso morgens, moment, da muss ich die Sporttasche von Jane bei euch abgeben, die wartet dann vor der Schule und könnte jemand sie nach Hause bringen?" ... Hä, bitte wie? Da blickt natürlich kein Mensch durch. Im Endeffekt meinte sie, sie muss doch noch herumtelefonieren und vielleicht organisieren die es auch ganz anders. Sie wird sich nochmal melden, ob es jetzt bei ihrer "Bitte" bleibt. Diese Frau überfordert mich mit ihrer Energie sowieso jedesmal. Letzte Woche hat sie mich gefragt, ob ich mit 30 Kindern, die die Arche besuchen, die Tänze aus den Madness-Kursen für die Bewohner vorführe. Als ob man plärrenden 5-Klässlern vorschreiben könnte, wie sie tanzen sollen. Im Endeffekt lief Musik und alle sind durcheinander gehüpft und die Jungs haben darum geschrien. Ein andermal saß ich in einem Gemeinschaftsraum in Ambleteuse, kurz vor unserer Teambesprechung mit der Psychologin, da kam sie hereingestürmt "Sophia! Hallo, wie gehts dir? Gut, ah toll! Ja super! Hier ich muss dir was zeigen. Die Ohrringe, die sind wie die Kette, die ihr mir zum Geburtstag geschenkt habt. Aus dem Fairtrade-Laden. Aber weißt du was? Ich habe nur Brüder und habe mich früher eher wie die Jungs verhalten. Deshalb fange ich langsam an, mich weiblicher zu fühlen und du weißt, Schmuck, und dann gerade eine Kette, das ist ein großer Schritt. Also dachte ich mir, ich gehe da hin und erkläre das der Verkäuferin. Und guck! Sie hat mir die tatsächlich umgetauscht und jetzt habe ich eben Ohrringe aus Papier! Super oder? Und die sind wunderbar! Ich habe sie jeden Tag an! Immer! Ich liebe sie! Wirklich, das war ein super Geschenk!" Puh, ich sitze dort und bringe nur ein "Ehhh... okay.." heraus. Was soll man auf so ein Geständnis auch erwidern?

Als ich heute Abend Stephane und Jean-Denis abgeholt habe (die machen HipHop und Reporter-AG), waren alle total entnervt und Gilles kam auf mich zu. "Hier, Sophia, Patricia schimpft schon seit 20 Minuten ununterbrochen vor sich hin. Sie sagt etwas davon, dass sein Bruder ihr immer sagt, keiner hätte das Recht in ihr Zimmer zu gehen und schon recht nicht ihr Bettzeug zu wechseln. Und dann fängt sie auch wieder ständig mit der Dusche an..." Ich hab daraufhin die zerzauste und im lila Plüsch-Bademantel versinkende Patricia geschnappt und sie mit ins Büro genommen. Das hat immer eine relativ gute Wirkung auf die Personen. Man ist alleine mit einem Assistenten. Im Büro. Auf einem Stuhl. Mit geschlossener Tür. Heißt also, gaaaaanz wichtige Angelegenheit, die gleich besprochen wird. Eigentlich habe ich mir keine große Hoffnungen gemacht, weil sie ziemlich gedankenverloren vor sich hin gemurmelt hat, aber als ich sie daran erinnert habe, dass sie doch mit Giulia zusammen ihr Bettzeug abgezogen und gewaschen hat und dass nichts ohne ihr Einverständnis geschieht, wurde sie auf einmal ruhig und nickte nur zustimmend. Sie ist zwar schwierig, wenn sie so eine Phase hat, aber zum Glück ist das immer recht schnell wieder vorbei. Anders als bei Marie-Claire. Die Dinge, über die wir mit ihr diskutieren, währen schon seit mehreren Jahren. Jetzt wo es Frühling ist, fängt sie z.B. wieder an, auf ihrer "Promenade durch die Stadt" Alkohol zu trinken und kommt dann total aufgedreht ins Foyer zurück.